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Interview mit Jeanine Glöyer, Gründerin von Jyoti-Fair Works

Unser erstes Interview in unserer Interviewreihe mit Gründerinnen von fairen Modelabels haben wir mit Jeanine Glöyer von Jyoti - Fair Works geführt.

 

Zu Jeanine und zu Jyoti haben wir eine ganz besondere Bindung, da wir sie schon sehr lange kennen und da Jeanine auch einige Zeit bei uns gearbeitet hat.

Dass sie uns verlassen hat, war für uns total bedauerlich, da Jeanine so ein sympathischer Mensch ist und zudem unglaubliches Wissen über die Textilindustrie besitzt. Dadurch, dass sie ein Modelabel mit eigenen Nähereien aufgebaut hat - was in der Modeindustrie erstaunlicherweise sehr selten ist - weiß sie genau, worüber sie spricht. Und sie weiß, wie es in Indien zugeht. Und obwohl sie mit gerade mal 21 Jahren ein solches Modelabel aufgebaut hat, geht Jeanine mit dieser bewundernswerten Tatsache völlig bescheiden um. Als wäre es das Normalste der Welt.

Trotz unseres persönlichen Bedauerns, dass Jeanine nicht mehr Teil unseres Teams ist, ist dies ein Zeichen für eine richtig gute Entwicklung, die wir Jeanine und Jyoti von Herzen gönnen: Das Modelabel Jyoti ist gewachsen und wächst weiter. Seit einiger Zeit hat Jyoti sogar ein kleines Ladenatelier in der Okerstraße 45 in Berlin-Neukölln, wo sie ihre Kollektionen verkaufen.

Ich erinnere mich noch gut an den ersten Kontakt mit Jyoti vor ca. 7 Jahren. Damals hatten wir noch unseren ersten viel kleineren Laden am Lausitzer Platz in Kreuzberg und Karo, eine damalige Mitarbeiterin von Jeanine kam bei uns vorbei und zeigte uns ihre Kollektion. Die indischen Mitarbeiterinnen von Jyoti waren damals noch sehr weit von ihren heutigen Fähigkeiten entfernt und nähten deswegen vor allem kleine Täschchen und einen Rock. Wir fanden das Projekt so toll, dass wir die kleine Jyoti-Kollektion sofort in unser Sortiment aufnahmen. Und seither ist Jyoti immer ein Teil unseres Angebots gewesen.

So wie wir selbst uns auch ganz langsam und ohne großes Kapital entwickelt haben vom kleinen Lädchen am Lausitzer Platz hin zum einem recht großen Ladengeschäft für ökofaire Mode so hat sich Jyoti auch entwickelt. Von Jahr zu Jahr werden ihre Kollektionen schöner und runder, die Details noch besser und fairer (handgearbeitete Knöpfe!), die Materialien, Muster und Farben vielseitiger und sie bieten sogar wunderschönen Schmuck an. Also unsere Bewunderung hat Jyoti und seine Gründerin, die vor kurzem auch noch Mutter geworden ist, auf jeden Fall!

 

Aber jetzt lernt Jeanine selbst etwas kennen ...


Interview mit Jeanine Glöyer

1. Stell dich doch bitte kurz vor: wie heißt du, wo lebst du? Wie alt bist du? Wie heißt dein Label?

Mein Name ist Jeanine, ich bin 29 und ich lebe in Berlin. Mein Label heißt Jyoti - Fair Works.

 
2. Kannst du uns in 2,3 Sätzen das Konzept deines Labels erklären?

Jyoti - Fair Works ist ein deutsch-indisches Fair Fashion Label, das Kleidung sozial und ökologisch nachhaltig produziert. Unser Ziel ist es, Kleidung und Accessoires herzustellen, die sowohl unseren Kunden, besonders aber auch allen an der Produktion beteiligten Menschen Freude bereiten – vom Baumwollbauer, über den Weber bis hin zu den Näherinnen. Um das garantieren zu können, ist es uns wichtig, die Menschen zu kennen, die an der Produktion unserer Kleidung beteiligt sind - entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

 
3. Wann hast du dein Label gegründet und wie kam es dazu?

Gegründet habe ich Jyoti im März 2010 im Anschluss an einen Freiwilligendienst bei der indischen NGO Jyothi Seva Kendra in Chittapur, dem Örtchen in welchem heute unser Hauptsitz liegt.

Ein richtiges fair fashion Label sollte es zunächst gar nicht werden, die Idee war lediglich den von Arbeitslosigkeit bedrohten Frauen in Chittapur eine sichere und gut bezahlten Anstellung anbieten zu können. Sehr schnell waren die Frauen Feuer und Flamme. Quasi über Nacht haben sie die Idee umgesetzt und halten mich und den deutschen Part des Jyoti-Teams seitdem ordentlich auf Trab.

4. Woher kommt der Name deines Labels?

Wir haben nach einem Namen gesucht, zu dem vor allem die Frauen in Chittapur einen Bezug haben, einen Namen der unsere Ziele beschreibt und unsere Verbundenheit zu der indischen NGO Jyothi Seva Kendra wiederspiegelt.

Jyoti ist Hindi und ein sehr gängiger Name in Indien. Er bedeutet so viel wie aufgehendes Licht, steht für Stärke, Wachstum und Unabhängigkeit.

 

5. Hast du geplant, Unternehmerin bzw. Gründerin zu werden oder ist das eher 'passiert' (und wie)?

Das ist eher passiert. Beruflich wollte ich eigentlich in eine ganz andere Richtung. Mit den Jahren ist aber aus der ursprünglichen Schnaps-Idee ein wahres Herzensprojekt und daraus schließlich unser heutiges Unternehmen geworden. Schon nach kurzer Zeit war klar: das Verantwortungsgefühl gegenüber unseren Mitarbeiterinnen ist zu groß um das ganze aus einer Laune heraus wieder einzustampfen und so haben wir eben weiter gemacht. Schritt für Schritt sind wir zudem geworden was wir heute sind und haben noch viel vor.

 

6. Was hast du vor deiner Labelgründung beruflich gemacht?

Ich war hauptberuflich Studentin der internationalen Beziehungen mit einem Schwerpunkt auf Völkerrecht.

7. Was wolltest du als kleines Mädchen beruflich machen?

Als kleines Mädchen, wollte ich unbedingt Tierärztin werden – und ich war überzeugt davon, dass es bei mir nicht nur dieser Mädchen-Traum ist, sondern ich es ganz furchtbar ernst meine…. ;-).

 

8. Wie hat dein Umfeld auf deine Entscheidung, dich mit einer Modemarke selbstständig zu machen reagiert?

Skeptisch! Ich denke, die meisten hielten es lange für eine Spielerei, die irgendwann automatisch enden wird. Dass es wirklich mal klappen könnte, hielt glaube ich lange niemand für möglich.

 

9. Hattest du Angst zu scheitern und hattest du einen Plan B?

Nein und Ja. Ich habe mir die ersten Jahre keine wirklichen Gedanken darüber gemacht, wo genau das Ganze hinführen soll. Mein Leitsatz war: wenn ich keine konkreten Pläne haben, können sie auch nicht schief gehen und der Rest wird einfach passieren. Das hat dann auch ziemlich gut funktioniert.

10. Wie ist es für dich, Gründerin eines Labels zu sein? Spielt es dabei eine Rolle, dass du eine Frau bist?

Sicherlich spielt es eine Rolle, dass ich eine Frau bin. Ich versuche jedoch, mich nicht allzu sehr auf die Nach- und sicherlich gelegentlich auch Vorteile, die sich daraus ergeben zu konzentrieren.

 

11. Spielt Frauenförderung oder 'Women Empowerment' eine Rolle für dein Label?

Eine sehr große. Frauen durch unsere Arbeit zu stärken ist quasi unser Kernanliegen. Alles hat damit begonnen, gut bezahlte Jobs für Frauen zu schaffen, die bis dato einen eher steinigen Lebensweg zurücklegen mussten. Wir sind überzeugt davon, dass Arbeit und damit wirtschaftliche Unabhängigkeit ein wichtiger Grundbaustein für ein selbstbestimmtes Leben sind.

 

12. Was bedeutet Feminismus für dich?

Feminismus bedeutet für mich, füreinander da zu sein, sich zu respektieren und zu unterstützen, egal welches Geschlecht mein Gegenüber hat. Feminismus bedeutet für mich, den Weg in eine Welt, in der wir tatsächlich und absolut unabhängig von unserem Geschlecht leben können wie wir sind und die Person werden können, die wir sein möchten.

Bis vor einigen Monaten war ich sicher, dass wir diesem Ziel schon sehr nahegekommen sind – selten hatte ich das Gefühl durch mein Frausein eingeschränkt zu werden. Nun bin ich Mutter und täglich bekomme ich meine eigene Ignoranz vor Augen geführt. Nur weil wir bestimmt sexistische Strukturen auf persönlicher Ebene nicht spüren, heißt es nicht, dass sie nicht da sind. Durch meine neue Rolle musste ich dies sehr schmerzlich lernen. Wir haben noch einen sehr langen Weg vor uns, aber jeder Schritt lohnt sich.

 

13. Gibt es für dich eine Verbindung zwischen Mode, Textilindustrie und Feminismus?

Eine sehr starke sogar. 80% unserer Kleidung wird von Frauen hergestellt. Sich für faire Bedingungen in der Textilindustrie einzusetzen ist also per se bereits ein feministisches Anliegen. Vorsicht ist bei Fast Fashion Trends geboten, die mit Slogans wie „we should all be feminists“ zu punkten versuchen. T-Shirts zu tragen auf deren Brust feministische Slogans prangen, die gleichzeitig aber unter Ausnutzung struktureller Benachteiligungen von Frauen möglichst günstig produziert werden, hat mit Feminismus rein gar nichts zu tun.

14. Kannst du anderen Frauen, die sich selbstständig machen wollen etwas mit auf den Weg geben?

Gegründet nicht um zu gründen, sondern gründet wofür ihr brennt. Das wird euch die nötige Energie verleihen all die Stolpersteine und Zweifel zu überkommen, die euch auf eurem Weg begegnen werden.

 

15. Und da es auch für uns Selbstständige nicht nur Arbeit geben sollte, die letzte Frage: Wie entspannst du am Liebsten von deiner Arbeit?

Mein großes Glück ist, dass ich meine Arbeit liebe und sie darüber hinaus mit meinen besten Freundinnen verrichten darf. So sind Arbeit und Freizeit oft zwar kaum voneinander zu trennen, genau das macht für mich aber auch den Reiz aus. Brauche ich doch einmal etwas Abstand, zieht es mich in die Natur – am liebsten gemeinsam mit meinem kleinen Sohn. Bin ich mit ihm unterwegs ist alles andere weit weg und absolut unwichtig.

 

Vielen Dank für deine Antworten liebe Jeanine :-)

 

Hier könnt Ihr Euch die Homepage und den Shop von Jyot Fair Works anschauen.  Ausgewählte Teile ihrer Kollektion findet Ihr auch bei uns.


Das Interview führten wir schriftlich mit Jeanine im März 2019. Alle Fotos sind urheberrechtlich geschützt und im Eigentum von Jyoti - Fair Works oder supermarché. Nicole Jäckle, März 2019.