Quartiermeister ist eine Soziale Biermarke aus Kreuzberg. Mit jeden verkauften Bier geht eine Spende an ausgewählte Projekte im jeweiligen Kiez. Es gibt diverse Biersorten, darunter auch Bio-Biere, Radler und alkoholfreies Bier. Bisher kannten wir nur das Bier von Quartiermeister und wussten nicht einmal dass deren Büro im Nebenhaus des Hauses ist, indem wir mit unserer Siebdruckwerkstatt sitzen. Wir arbeiten also Hinterhof an Hinterhof. Durch unsere Fotoaktion haben wir uns auch persönlich kennen gelernt und hatten sehr viel Spaß beim Fotoshooting zusammen! Wenn unser Laden etwas zu feiern hat, dann gibt es natürlich Quartiermeister Bio-Bier.
Quartiermeister ist eine sehr besondere Biermarke - wie ist Euer Konzept?
Annika: Quartiermeister ist eine Biermarke aus Berlin und ein Social Business, bestehend aus einem Unternehmen und einem Verein. Pro verkauftem Liter Bier spenden wir 10 Cent an soziale Projekte in der Nachbarschaft. Die GmbH kümmert sich um den Verkauf und die Vermarktung des Bieres. Der Verein ist für die Mittelvergabe der Gewinne zuständig und kontrolliert das Gewerbe. Jede*r kann Teil des Vereins werden. Im Gegensatz zu anderen Unternehmen fließt der erzielte Gewinn nicht in private Taschen oder Anteilseigner*innen, sondern zurück in die Gesellschaft: in Projekte, die die Nachbarschaften bereichern. Jede*r kann entweder online oder über den Verein mitentscheiden, welche Projekte von den Fördergeldern profitieren. Bis heute konnten wir über 200.000 Euro an mehr als 185 Projekte in der direkten Nachbarschaft ausschütten.
Wann habt Ihr Euch gegründet und wie ist die Idee entstanden?
Annika: Die Idee, ein korrekt produziertes Konsumgut mit sozialem Engagement zu verknüpfen, entstand im Jahr 2010 durch eine motivierte Gruppe von Studierenden aus Berlin-Neukölln. Sebastian Jacob, Gründer von Quartiermeister, saß zu Studien-Zeiten mit Kommilitonen bei einem Bierchen zusammen und überlegte, wie man soziales Engagement so gestalten könnte, dass weder ein zeitlicher noch finanzieller Mehraufwand entsteht. Das war die Geburtsstunde des sozialen Biers.
In welchen Regionen seid Ihr aktiv?
Annika: Nachdem alles in Berlin begann, hat sich Quartiermeister sukzessiv in weiteren Städten Deutschlands etablieren können. Mittlerweile ist Quartiermeister in München, Leipzig, Dresden, Stuttgart, Köln, Nürnberg, Wien und kleineren Städten im östlichen Raum zu finden. Korrespondierend damit ist auch unser Verein gewachsen, der mit uns die Projektförderung in den verschiedenen Quartieren realisiert. Unser Ziel ist, dass wir in jedem Quartier, in dem wir aktiv sind, auch eine Vereinszelle aufbauen. Das klappt ganz gut 😊 Es finden sich immer Leute, die Bock haben, Quartiermeisters Idee in der eigenen Stadt umzusetzen. Das freut uns mega!
Sprechen wir über Berlin. Wie viele Projekte habt Ihr hier schon gefördert und fallen Euch ein paar beispielhafte Berliner Projekte ein, die durch Euch bereits gefördert werden konnten?
Annika: In Berlin konnten wir bereits 110 Projekte mit knapp 125.000€ fördern. Das sind verschiedenste Initiativen wie z.B. City-Clean-Ups, Mitmachgärten für die Nachbarschaft und viele Projekte, die sich für Menschen mit Fluchterfahrung einsetzen und Integrations- und Inklusionshilfe leisten. Wir haben auch einige Projekte fördern können, die Obdachlose und Anwohner*innen zusammenbringen und darüber das Zusammenleben in der Nachbarschaft stärken. Die Bandbreite der Projekte ist groß. Grundsätzlich können sich alle engagierten Köpfe, Kollektive, Vereine wie Organisationen auf unseren Fördertopf bewerben, die in ihrem Handeln soziale Ziele verfolgen und einen gesellschaftlichen Mehrwert für die Nachbarschaft darstellen.
Zu einem unserer Herzensprojekte gehört eine
Förderung, über die der Bau eines kleinen Windrads auf dem Tempelhofer Feld realisiert wurde. Die Energie des Windrads kommt einer Fahrradwerkstatt vor Ort zugute. Die Werkstatt bietet nicht nur
kostenlose Reparaturen an, sondern ist gleichzeitig ein Ort der Berufsorientierung. Jugendliche und junge Erwachsene bekommen hier die Chance, ihre handwerklichen Fähigkeiten zu erproben und
finden Ansprechpartner*innen bei Zukunfts- und Berufsfragen. Mit Talu Tüntas, dem Kopf hinter der großartigen Idee, sind wir seither eng verbunden. Wir finden sein Engagement so herausragend,
dass wir sein Konterfei auf das Etikett unseres Naturradlers gedruckt haben – als Zeichen unserer Anerkennung für das, was er seit vielen Jahren für die Nachbarschaft und die Menschen
leistet.
In wie vielen Berliner Kneipen gibt es Euer Bier? Da wir in Kreuzberg sind – wo können wir Euer Bier hier in der Gegend trinken?
Annika: Quartiermeister gibt es alleine in Kreuzberg in etwa 15 Bars und Kneipen. Darunter beispielsweise das Dion & Gefolge, die Bar Nathanja & Heinrich, den Südblock oder das Zum Franziskaner. Letztere gehört zu unseren Lieblingsplätzen. Ein Ort an dem Sexismus, Homophobie und Diskriminierung keinen Platz haben. Das garantiert nicht zuletzt Ariane, die Frau hinter dem Tresen des Franziskaners. Ariane hat früher in den besetzten Häusern Berlins gelebt, sich gegen die zunehmende Privatisierung und Gentrifizierung Berlins stark gemacht und passt mit ihrem Engagement für die Nachbarschaft und ihren Werten zu uns wie der Hopfen zum Malz. Deshalb ist sie das Gesicht unseres Rotbiers.
Ihr habt auch eine politische Message, wie ist diese?
Annika: Quartiermeister ist ein politisches Sozialunternehmen, das mit der Vision entstand, Wirtschaft für den sozialen Zweck zu nutzen. Wir wollen zeigen, dass sich der Vertrieb eines wirtschaftlichen Konsumguts mit gesellschaftlichem Mehrwehrt verknüpfen lässt. Wir wollen eine Ökonomie postulieren, die sich weniger um Profitmaximierung als einer Orientierung am Gemeinwohl bemüht. Für uns war von Anfang an klar, dass Schluss sein muss mit Gewinnen, die auf dem Rücken anderer Menschen erwirtschaftet werden und der knappen Ressourcen und unserer Umwelt zum Opfer fallen. Wir wollen eine Wirtschaft, die zukunftsfähig und zum Wohle aller ausgerichtet ist.
Das beruht auf unseren fundamentalen Werten. Wir stehen für soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Diskriminierungsfreiheit. Um diese Themen zu spiegeln, nutzen wir unsere Kanäle und machen auf gesellschaftliche wie politische Missstände aufmerksam. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dass wir unsere Reichweite nutzen, um gesellschaftliche wie politische Themen zu adressieren und gleichzeitig als positives Beispiel vorangehen.
Wir haben noch einige Themen auf dem Zettel und es gibt noch viel zu
tun.
Natürlich wollen wir auch über Euer Bier sprechen – Ihr habt uns ja die ganze Palette für die Fotoaktion mitgebracht – was für Biere bietet Ihr an?
Annika: Wir haben verschiedene Biere. Gestartet sind wir mit unserem Original Pils. Darauf folgten verschiedene weitere Sorten. Die meisten davon mit Zutaten, die der Bio-Güte entsprechen. So sind über die Jahre Bio-Rotbier, Bio-Pils, Bio-Helles, Bio-Alkoholfreies und zuletzt ein Bio-Weizen dazugekommen. Außerdem haben wir ein fruchtig-frisches Naturradler.
Wo wird Euer Bier gebraut?
Annika: Wir arbeiten mit zwei unabhängigen Privatbrauereien zusammen: Der größte Teil Deutschlands (alle Bundesländer außer Baden-Württemberg und Bayern) wird von der familiengeführten Stadtbrauerei Wittichenau in der Oberlausitz versorgt, während die Genossenschaftsbrauerei Gut Forsting bei München für den Süden (Bayern und Baden-Württemberg) produziert. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, mit unabhängigen und regionalen Brauereien zusammen zu arbeiten. Wir wollen so die traditionelle, mittelständische Bierbranche stärken, die dem Druck einzelner Großkonzerne ausgesetzt ist.
Was ist Euer persönliches Lieblingsbier?
Annika hat eine Vorliebe für das Bio-Alkoholfreie – es gibt kein besseres auf dem
Markt. Das bestätigen uns auch viele Kund*innen. Auch Erik kann sich zwischen Bio-Alkoholfreien und Bio-Hellen nur schwer entscheiden. Johannas Favorit ist das Bio-Pils. Marko liebt alle Sorten
gleichermaßen. Wenn er sich entscheiden müsste, dann würde er jedoch das Original nehmen.
Euer Büro ist im Nachbarhof unserer Siebdruckwerkstatt in der Kreuzberger Oranienstraße - was mögt Ihr an dem Kiez und seiner Nachbarschaft?
Annika: Kreuzberg – vor allem Kreuzberg36 – ist ganz besonders und einzigartig! Wir lieben das Facettenreichtum und die Roughness hier. Man trifft hier Menschen auf der Straße, die unterschiedlicher nicht sein können und das trotz voranschreitender Gentrifizierung. Der nachbarschaftliche Zusammenhalt ist hier sehr groß. Wenn man sich z.B. die unglaubliche Solidarität anschaut, mit der die Nachbar*innen der Oranienstraße Kisch&Co. begegnet sind als ihnen der Mietvertrag gekündigt wurde, ist das schon beeindruckend. Viele haben sich Transparente in ihre Läden gehängt, es gab Kundgebungen, Nachbarschaftsversammlungen, unglaublich viel Lärm auf Social Media und sogar eine Petition. Wir fühlen uns in der Oranienstraße an genau der richtigen Stelle mit dem, wofür Quartiermeister steht: Nachbarschaft, Zusammenhalt und Vielfalt!
Das Interview führten wir im Oktober 2021 in schritlicher Form mit Annika von Quartiermeister. Vielen Dank, liebe Annika!
Infos zu Quartiermeister:
Quartiermeister – Korrekter Konsum GmbH
Oranienstr. 183
Aufg. C, 3. OG
10999 Berlin
Web: quartiermeister.org
Mail: annika@quartiermeister.org
Das Interview mit Annika von Quartiermeister führten wir schriftlich im Oktober 2021 im Rahmen unserer Nachbar*innen-statt-Models-Kampagne.
Anstatt die Modelfotos der Marken zu nehmen, deren Basics wir durchgängig im Laden führen, fragten wir unsere Nachbar*innen & Kolleg*innen, ob sie nicht unsere Models sein wollen. Mehr zu der Aktion und der Idee dahinter findet Ihr hier. Dies sind die Modelfotos, die im Rahmen der Aktion von Annika, Marko, Johanna & Erik entstanden sind. Vielen Dank für die Teilnahme an der Aktion!